Apples Versuch, alle progressiven Browser-Apps zu sperren, ist ein Angriff auf den freien Wettbewerb, die Nutzer*innen sowie die Entwickler*innen.

Update 1

Finanical Times berichtete:

"Die EU hat erste Schritte in Richtung einer formellen Untersuchung gegen Apple unternommen. Grund dafür ist die Entscheidung, den Zugang zu einigen Anwendungen zu sperren, die den App Store des Unternehmens umgehen, da Brüssel die Geschäftstätigkeit des iPhone-Herstellers stärker kontrolliert." berichtete

Update 2

Apple hat seine Entscheidung am 1. März 2024 zurückgenommen. Apple gibt in einer Pressemitteilung bekannt:

"Wir haben Anfragen erhalten, ob wir weiterhin Unterstützung für Homescreen-Web-Apps in iOS anbieten können. Daher werden wir die bestehende Funktion für Homescreen-Web-Apps in der EU weiterhin anbieten. Diese Unterstützung bedeutet, dass Home Screen-Web-Apps weiterhin direkt auf WebKit und dessen Sicherheitsarchitektur aufbauen und mit dem Sicherheits- und Datenschutzmodell für native Apps auf iOS übereinstimmen.

Entwickler und Nutzer, die von der Entfernung der Homescreen-Web-Apps in der Beta-Version von iOS in der EU betroffen waren, können mit der Verfügbarkeit von iOS 17.4 Anfang März die Rückkehr der bestehenden Funktionalität für Homescreen-Web-Apps erwarten."

Ursprüngliche Pressemitteilung:

Progressive-Web-Apps (PWA) sind die nächste Generation von Apps. Sie erlauben Unternehmen erhebliche Kosteneinsparungen:

  • Der Code ist für jede Plattform (Website, Android-App, Windows-App, iPhone-App, Linux-App) identisch. Früher musste für jede Plattform eine eigene Programmiersprache und eigene Werkzeuge verwendet werden. In den meisten Anwendungsfällen sind sie den nativen Plattform-Apps ebenbürtig.
    • Sie basieren auf modernen und ausgereiften Web-Technologien (HTML, CSS, JavaScript). PWAs können von jedem kostenfrei und ohne Lizenzgebühren entwickelt werden.
    • Dank WASM und WebGPU ist eine native Performance erreichbar.
    • Die Sensoren und Funktionen des Betriebssystems können problemlos über neu geschaffene Schnittstellen bei allen gängigen Betriebssystemen abgerufen werden.
    • Progressive Web-Apps weisen das Erscheinungsbild nativer Anwendungen auf, mit einem Icon auf dem Homescreen und einem eigenständigen Erscheinungsbild in der App-Übersicht. Die Navigationselemente des Browsers bleiben dabei unsichtbar.
    • Zusätzlich ermöglichen PWAs spezielle Funktionen wie lokale Speicherung, Offline-Support und Benachrichtigungen.
  • Eine Abkopplung von App-Stores. Dadurch kann die Transaktionsgebühr für eine Zahlung von 30 % an Apple, Microsoft oder Google auf ca. 2 % Zahlungsmittelgebühr reduziert werden.

Was sind die Folgen einer PWA-Sperre?

Unternehmen, die die Vorteile dieser offenen und kostenfreien Technologie nutzen möchten, sehen sich mit 28 % höheren Transaktionsgebühren konfrontiert. Zudem könnten die Entwicklungskosten möglicherweise um das Fünffache steigen, wenn anstelle von PWAs für jede Plattform separate native Apps erstellt werden. Falls Unternehmen bereits auf die PWA-Technologie setzen, entstehen diese Kosten zusätzlich zu den eigentlichen Entwicklungsaufwendungen für die PWA.

Des Weiteren erlaubt der App Store von Apple keine Apps, die lediglich die Funktion des Renderns einer Website realisieren. Neben den Web-Technologien stehen auch plattformübergreifende Technologien wie Flutter zur Verfügung. Bei einer Veröffentlichung würden jedoch in jedem Fall Transaktionsgebühren anfallen. Kleine Entwickler müssen dabei beachten, dass ihre Transaktionsgebühr bei Apple 15 % anstelle von 30 % beträgt. Es fallen jedoch bei Apple auch Kosten für den Entwicklerzugang an.

Was plant Apple nun?

Laut macrumors.com plant Apple PWAs für User*innen in der EU stark einzuschränken. Webanwendungen auf dem Startbildschirm werden gezwungen, sich im Browsertab zu öffnen, anstatt in einem eigenen App-Fenster, es gibt keine Unterstützung für lokalen Langzeitspeicher und die Benachrichtigungen funktionieren nicht mehr.

Wer benutzt bereits Web Apps?

  • AirBnB
  • Alibaba
  • BMW
  • Facebook
  • Forbes
  • Google Docs
  • Instagram
  • Medium
  • Microsoft Office Online
  • Nasa
  • Pinterest
  • Spotify
  • Starbucks
  • Telegram
  • The Guardian
  • The Weather Channel
  • TikTok
  • Tinder
  • Trivago
  • Tumblr
  • Twitter / X
  • Uber
  • Und viele weitere

Microsoft entwickelt den Nachfolger für das Mailprogramm Outlook sogar ausschließlich als PWA, obwohl sie als Hersteller von Windows eine exklusive, native Apps bevorzugen könnten.

Warum möchte Apple PWAs einschränken?

Apple begründet dies durch Sicherheitsrisiken, welche entstehen würden, wenn User*innen nicht mehr den Apple eigenen Browser verwenden. Ein bösartiger Browser könne den Zugriff auf die Webcam ohne Zustimmung der User aktivieren.

Es ist fragwürdig, wie viele Nutzer tatsächlich so einen bösartigen Browser nutzen würden. Es wäre auch möglich, dass Apple auch bei Drittbrowsern für jede Website einzeln die Berechtigungen verwaltet.

In der Praxis funktionieren PWAs mit beliebigen Browsern bereits seit Jahren unter Windows, macOS, Android und Linux, ohne dass dies zu Sicherheitsproblemen führte.
Selbst wenn Apple technisch nicht in der Lage sein sollte, eine sichere Sandbox für Apps bereitzustellen, wäre es denkbar, Progressive Web-Apps zunächst nicht in Drittbrowsern zu erlauben. Schließlich können Apple User*innen außerhalb der EU dies auch weiterhin tun.

Apple nennt dies eine direkte Reaktion auf den Digital Marktes Act der Europäischen Union, welcher besagt, dass monopolistische Plattformen ihre Marktmacht nicht missbrauchen dürfen. Konkret bedeutet dies, dass unter iOS auch Browser von Drittanbietern möglich sein müssen. Auch wenn User*innen bislang Drittbrowser wie Chrome oder Firefox benutzt haben, waren diese Drittbrowser technisch gesehen Apples Browser mit einem angepassten Design.

Zusammenfassend ist Apples Vorgehen PWAs einzuschränken als Konter zum Digital Markets Act zu verstehen, was zulasten von Unternehmen, Entwickler*innen, freiem Wettbewerb und Enduser*innen geht. Es bleibt zu hoffen, dass Apple durch das Feedback seiner User*innen oder durch eine Anpassung des Digital Markets Act gegen die Diskriminierung von Browser Apps seine Entscheidung zurücknimmt.

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